10 Fragen an Muhammed Kaltuk und Gabriel Mareque
Der Tänzer und Choreograf Muhammed Kaltuk ist in Baselland gebürtig, er entstammt einer türkischen Familie und wuchs in einem Elternhaus auf, in dem zwar türkische Traditionen hochgehalten wurden, hingegen keinerlei Interesse an kulturellem Leben in der Schweiz, an Museen oder an Theater bestand. Den Hip Hop entdeckte er mit 14 Jahren für sich. 2017 gründete Kaltuk seine eigene Company MEK, mit der er zurzeit national und international auf Tour ist. Seine Arbeit zeichnet sich durch ihren sozialkritischen, politischen und persönlichen Charakter aus.
Gabriel Mareque ist ein interdisziplinärer Künstler aus Zürich, er arbeitet als als Komponist, Tänzer und Kostümdesigner. Angefangen hat er im Tanzbereich und eine vierjährige Tanzausbildung an der Höheren Fachschule für Zeitgenössischen und Urbanen Bühnentanz in Zürich absolviert. In seinem musikalischen und kompositorischen Schaffen kann er auf viele erfolgreiche Zusammenarbeiten mit verschiedenen Künstler*innen zurückblicken; durch seinen Werdegang versteht er die Zusammenhänge zwischen Musik und Tanz besonders gut.
Was sind eure frühsten Erinnerungen an die Musik von Mani Matter?
Muhi: Meine waren in der Schule. Da haben wir manchmal Mani-Matter-Songs gesungen, «Ds Zündhölzli» zum Beispiel. Und während dem Aufwachsen war Mani Matter immer auf irgendeine Art präsent; musikalisch oder kulturell.
Gabriel: Ich höre noch heute meine Tante, wie sie mir «Dr Eskimo» vorsingt, meine Mutter höre ich «Dr Sidi Abdel Assar Vo El Hama» singen. Ich war noch sehr klein, aber ich habe mir bei beiden Liedern die ganze Geschichte sehr bildlich vorstellen können. Es war beim «Sidi» das erste Mal, dass ich eine derartige Tonleiter gehört habe, das hat mich total fasziniert.
Was hat euch dazu inspiriert, seine Lieder für ein Tanzprojekt zu verwenden?
Muhi: Seine Texte sind für uns die grösste Inspiration. Der Inhalt reflektiert sowohl die heutige Zeit und scheint unsterblich. Matters Klangfarbe und wie er seine Aussage vermittelt ist total beindruckend und inspirierend. Eine gewisse Sympathie scheint alles zu durchstrahlen. Die Erfahrung mit der Produktion «Dene wos guet geit» der Spielzeit 2021/22 in Luzern hinterliess bei uns das Bedürfnis, nochmals und tiefgründiger mit seiner Musik zu arbeiten.
Welche Geschichte erzählt «Hemmige»?
Muhi: Das Stück präsentiert zwei Welten, die zunächst voneinander getrennt sind und im Verlauf der Choreografie weiter auseinanderdriften. Eine der beiden Welten ist privilegierter als die andere, was eine klare soziale Kluft aufzeigt. Erzählt wird auch, wie eine Person zwischen diesen Welten gefangen ist und die enormen Barrieren erkennt, die von der Gesellschaft errichtet wurden. Letztendlich geht es darum, dass es so einfach sein könnte, dass es «denen bessergehen würde, wenn es denen, wo’s weniger gut geht, bessergehen würde». Der Ansatz führt dazu, dass die Zuschauer*innen ihre eigenen Privilegien hinterfragen und ermutigt werden, sich für ein Verständnis anderer Realitäten einzusetzen. Das Stück endet mit einem Hoffnungsschimmer, es deutet die Möglichkeit an, dass diese beiden Welten letztendlich zusammengeführt werden können. Die Welten, Charaktere und die Botschaft dieses Stücks wurden durch die Texte von Mani Matter inspiriert, was zeigt, dass seine Texte zeitlos und immer noch äusserst relevant sind.
Muhi, wie tanzt man zu Mani Matter?
Muhi: Dies war für mich eine grosse Auseinandersetzung. Ich habe körperlich viel recherchiert um herauszufinden, was mir gefällt und welche Bewegungssprache zum Stück konzeptionell passt und ein authentischer Ausdruck von mir ist.
Stand die Choreografie bereits zu Beginn der Proben fest oder hat sie sich während der Arbeit (weiter)entwickelt?
Muhi: Beides war der Fall. Ich komme mit vorbereitetem Material ins Studio und erarbeite ebenso neue Ideen mit den Tänzer*innen.
Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen euch beiden ergeben?
Muhi: Die Zusammenarbeit mit Gabriel ist nun schon eine längere künstlerische Beziehung. Kennengelernt haben wir uns 2014 in der HF ZUB als wir beide unser Bühnentanzstudium absolvierten. Er komponiert mittlerweile für alle meine Stücke, da wir total gut harmonieren.
Gabriel, wie hast du mit der musikalischen Vorlage gearbeitet?
Gabriel: Es ist für mich eine grosse Ehre, öffentlich mit den Meisterwerken von Mani Matter spielen zu dürfen und diese mit meiner Arbeit zu vermischen. Fragen, die ich mir in diesem Falle stelle, sind: Was nehme ich daraus auf die Bühne? Führt Mani Matter mich an oder führe ich ihn? Benutze ich nur die Stimme, nur die Gitarre oder das gesamte Originalstück? etc. Ich frage mich was Mani Matter selbst darüber denken würde.
In «Hemmige» arbeitet ihr mit einem sehr internationalen Ensemble an Tänzer*innen. Wie habt ihr ihnen die Musik näher gebracht?
Muhi: Es war für sie eine spezielle Erfahrung, mit Mani Matter in Kontakt zu kommen, indem sie direkt die Bearbeitungen und Varianten von Gabriel gehört haben. Ihr Bezug zu Mani Matter und seiner Musik ist dementsprechend anders zu dem meinen und Gabriels. Sie lernen die Originale und die Reinterpretationen praktisch gleichzeitig kennen und kreieren zudem durch den Erarbeitungsprozess einen starken Bezug dazu.
Sollte man Matter-Fan sein, wenn man «Hemmige» besuchen möchte?
Muhi: Wir sind froh, in den ausgewählten Songs fürs Tanzstück auch Lieder drin zu haben, die nicht jedem bekannt sind. «Hemmige» ist wahrscheinlich kaum jemandem fremd, aber sonst variieren die Kenntnisse über Mani Matters Songs sehr in unserem Publikum. Es freut uns, für die Zuschauenden ein Erlebnis zu schaffen, das durch Mani Matter begleitet wird, und wir hoffen, dem Publikum eine neue Erinnerung zu dem schon Bekannten zu ermöglichen.
Welches ist euer Lieblingslied von Mani Matter?
Muhi: «Dene wos get geit»! Facts (lacht) Wer meine Geschichte kennt, der weiss, um was es geht.
Gabriel: Bei mir ist innerlich ein hin und her, da die Kindheitserinnerungen von «Dr Sidi» und «Dr Eskimo» sehr stark sind. Heute tendiere ich aber mehr zur «Ballade vom Nationalrat Hugo Sanders» und «Ds Portemonnaie». Bei Mani Matters Musik ist es für mich schwierig, ein einziges Highlight auszuwählen.