10 Fragen an Jonathan Bloxham
Jonathan Bloxham ist der neue Musikdirektor des Luzerner Theaters. Der renommierte Dirigent arbeitete mit zahlreichen internationalen Orchestern, wie dem London Symphony Orchestra, dem Mozarteumorchester Salzburg und den Münchner Symphonikern, und gehört ab dieser Spielzeit fest zum Team des Theaters. Dem Luzerner Publikum ist Jonathan Bloxham bereits aus der letzten Spielzeit bekannt, in der er Béla Bartóks «Herzog Blaubarts Burg» dirigierte. Nun ist der Brite zum ersten Mal in seiner neuen Funktion am Luzerner Theater zu erleben mit einem der wichtigsten englischen Barockwerke, «Dido und Aeneas».
Wir begrüssen Jonathan Bloxham ganz herzlich am Luzerner Theater und wollen einige Dinge von ihm wissen:
Lieber Jonathan, wieso bist du Dirigent geworden?
Ich bin in die Welt der Orchester eingetaucht, als ich mit acht Jahren begonnen habe, Cello zu spielen. Schnell habe ich mich nicht nur in die Musik, sondern auch in den Prozess des kollegialen Musizierens verliebt. Als Gruppe auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, schafft eine unglaubliche Energie. Als ich immer mehr über Musik lernte und als Jugendlicher die Oper entdeckte, realisierte ich, dass ich unbedingt Teil dieses Prozesses sein wollte. Ich habe erst mit 26 begonnen zu dirigieren, aber alles Vorherige hat zu diesem Moment geführt.
Wieso hast du dich für das Luzerner Theater entschieden?
Bevor ich hier letzten Sommer «Herzog Blaubarts Burg» dirigierte, war ich bereits zwei Mal in Luzern: Zuerst auf einer Tournee als Assistenzdirigent vom City of Birmingham Symphony Orchestra, wo mich diese Märchenstadt und ihre Umgebung sofort begeistert haben. Einige Monate vor «Blaubart» gab ich dann mein Debut mit dem Luzerner Sinfonieorchester im KKL. Ich war tief beeindruckt von diesem Orchester – es war mir eine Ehre, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Als ich letzten Sommer eingeladen wurde, «Blaubart» zu dirigieren, habe ich dann auch dieses wunderbare Haus mit seinem tollen Ensemble und dem ganzen Musik- und Dramaturgieteam kennengelernt. Es fühlte sich an wie eine Familie – zu der ich jetzt dazugehöre.
Du hast schon mit vielen internationalen Ensembles und Orchestern zusammengearbeitet. Was unterscheidet die Musiker*innen und Sänger*innen am Luzerner Theater von anderen?
Ich finde die Arbeit mit kleinen Gruppen von Musiker*innen sehr spannend. Man lernt sich musikalisch auf eine Weise kennen, die intimer ist als in anderen Konstellationen. Neben der Arbeit mit dem grossen Orchester bietet das die Möglichkeit, sich detaillierter mit einem Werk zu beschäftigen. Jede Person, der ich hier begegnet bin, ist offen für einen solchen Prozess. Wir arbeiten alle auf dieses ideale musikalische Szenario hin, das ist hier sehr besonders.
Momentan dirigierst du die Barockoper «Dido und Aeneas». Was macht dieses Werk heute noch so beliebt?
Es ist eine der wichtigsten und vielleicht sogar die erste wahrhaftige englische Oper. Nicht nur die Art, wie der Librettist Tate diese Geschichte kompakt nacherzählt, sondern auch Purcells unglaublich innovative Tonsprache machen die Oper hörenswert. Die Bratschenstimme etwa ist ihrer Zeit weit voraus. Als «Dido und Aeneas» komponiert wurde, war die italienische Oper mit ihren virtuosen Arien sehr beliebt. Purcells Oper ist viel simpler und spricht in einer prägnanten, aber intensiven Art zum Publikum – sicher ein Grund für ihre Popularität. Zudem ist das Stück kurz und somit der perfekte Einstieg für Besucher*innen, die zum ersten Mal eine Oper besuchen wollen. Es gibt immer etwas zu sehen und zu hören in diesem Werk.
«Dido und Aeneas» wird regelmässig auf Bühnen in der ganzen Welt aufgeführt. Was ist besonders an der Produktion im Luzerner Theater?
Wir zeigen diese Produktion auf der 360-Grad-Bühne DAS HAUS, welche die einmalige Chance bietet, das Werk aus einer ganz anderen Perspektive und grosser Nähe zu erleben. Die Zusammenarbeit und Umsetzung dieser Vision mit Regisseurin Magdalena Fuchsberger ist toll. Die Bühneninstallation ist voyeuristischer, als Oper normalerweise ist, und auch akustisch ganz besonders. Je nachdem, wo man sitzt, hört und sieht man ganz verschiedene Dinge. Es ist faszinierend, Darstellende innerhalb dieser Konstruktion miteinander interagieren zu sehen – es ist fast, als würde man sie ausspionieren. Das ist wirklich einzigartig. Ich will aber noch nicht zu viel verraten …
Wie sieht der kreative Prozess aus, wenn du an einem Stück arbeitest?
Je nachdem, wie viel ich über ein Stück weiss, beginne ich einige Monate bis zu einem Jahre vorher, daran zu arbeiten. Ich versuche, so viel wie möglich über den Kontext des Stücks, den*die Komponist*in, die Epoche, den Entstehungsort und die Sprache herauszufinden – darüber, wieso ein Kunstwerk existiert. Danach schaue ich mir das Werk selbst und die Partitur an und analysiere es von einem sehr theoretischen Standpunkt aus. Bei der Interpretation gibt es sowohl stilistische Ansätze wie historisch akkurates Spielen mit wenig Vibrato und anderer Artikulation als auch die persönliche Interpretation: «making it your own». Letztere ist die Summe von allem, was man in seinem Leben bis zu diesem Punkt erfahren und erlebt hat. Daraus entsteht meine Interpretation ganz organisch, sie ist einfach da.
Du bist auch selber Musiker, Cellist. Beeinflusst das dein Dirigieren?
Definitiv. Ich wäre nicht derselbe Dirigent, würde ich nicht Cello spielen. Im Studium riet mir mein Lehrer: «Es ist schön, wenn du Dirigent werden möchtest, aber konzentriere dich zuerst darauf, ein guter Cellist zu werden.» Diesen Ratschlag habe ich befolgt. Ich halte zudem das Spielen und Studieren von Kammermusik für sehr wichtig, um Dirigent zu sein, gerade auch in der Oper. Für mich ist Oper grosse Kammermusik, man muss einander sehr genau zuhören und aufeinander reagieren. Sinfonische Orchestermusik sollte im Grunde wie Kammermusik behandelt werden, denn jede Stimme ist gleich wichtig und muss gehört werden.
Nach einzelnen Vorstellungen von «Dido und Aeneas» wirst du an der Theaterbar den Austausch mit Zuschauer*innen suchen. Worauf freust du dich dabei besonders?
Darauf, ein Getränk spendiert zu bekommen – der Champagner an der Theaterbar ist fantastisch! Nein, ernsthaft: Worauf ich mich wirklich freue ist, zu hören, was das Publikum über das Stück und die Produktion denkt. Zu erfahren, was die Zuschauer*innen mögen – und was nicht. Natürlich hoffe ich, dass es ihnen gefallen hat, aber andere Meinungen sind auch willkommen. Mich interessieren alle Reaktionen, da bin ich sehr offen. Ich freue mich sehr darauf, unser Publikum, für das wir spielen, besser kennenzulernen.
Gibt es ein Werk, dass du unbedingt mal dirigieren möchtest?
Es ist fast unmöglich, meine Traumoper zu benennen. Momentan sind meine Top Drei «Tristan und Isolde» von Richard Wagner, «Peter Grimes» von Benjamin Britten und «Tosca» von Giacomo Puccini. Ich weiss nicht, ob wir diese Opern mit grossem Orchester hier unterbringen können – im Neuen Luzerner Theater hätten wir den Raum und die Akustik dafür.
Wieso sollte man im Luzerner Theater eine Oper besuchen?
Die Produktionen, die wir am Luzerner Theater machen, sind unglaublich relevant und gegenwärtig. Wer glaubt, dass Oper elitär oder verstaubt ist, wird diese Meinung hier ändern. Hier trifft man auf offene Türen, aufgeschlossene Menschen, fantastische Musiker*innen und Sänger*innen und innovative Produktionen. Einen Besuch im Luzerner Theater empfehle ich allen, die Oper lieben oder dies gern tun würden.