Hemmige, Luzerner Theater

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Oper
Schauspiel
Tanz
13. Juni 2024

Giustino

Es ist ein überwältigendes Panoptikum barocker Gefühlswelten, das Antonio Vivaldi in seiner Oper «Giustino» ausdem Jahr 1724 vor dem Publikum ausbreitet. Das Dramma per musica, das auf pseudohistorischen Tatsachen der römischen Kaisergeschichte beruht, handelt von Liebe, Tapferkeit und Mut. Aber auch von Intrigen, Machtgier, Krieg, Rache und Gewaltfantasien. Stellenweise kippt die Geschichte ins Fantastische – ein Bär greift an, ein Meeresungeheuer taucht auf – und wie so häufig in der barocken Opera seria ist die Handlung nicht unbedingt logisch. Vielmehr geht es um die drastische Herausstellung von Affekten und deren Ausdruck in Musik. Dass Vivaldi diesen meisterhaft beherrscht, zeigt seine enorme Bandbreite instrumentaler Mittel in den Arien, die wir zum Erklingen bringen.

Den roten Faden der Oper bildet der vage historisch belegte Werdegang des einfachen Bauern Justin, der sich ein ruhmreiches Leben am Hofe erträumt. Tatsächlich wird ihm sein Wunsch von der Göttin Fortuna erfüllt und Justin steigt die Karriereleiter steil nach oben, bis er letztlich zu Kaiser Justinian I. wird. Der Weg dahin ist allerdings nicht leicht: Als er an den Kaiserhof kommt, regieren dort Intrigen und Falschheit. Er muss Abenteuer bestehen und wird verleumdet – doch letztlich siegen Wahrheit und Vernunft. 

Giustino, Luzerner Theater

Hemmige

Mit seinen zündenden Hip-Hop-Kreationen hat der türkischstämmige, im Baselbiet geborene Choreograf Muhammed Kaltuk in kürzester Zeit die Bühnen der europäischen Tanzszene erobert. Seine Tanzsprache ist cool, dynamisch und voller Power, gleichzeitig bleibt er in seinen Werken nie an der rein virtuosen Oberfläche, sondern regt immer auch zum Denken an. Zu einer Partitur, die neu komponierte Beats mit Songs von Mani Matter paart, entsteht für TanzLuzern eine neue Kreation voller Wucht und Emotionen. Dabei wird offensichtlich, wie relevant das Werk des Berner Chansonniers bis heute ist. Kaltuk blickt kritisch auf die Spaltungen und Unversöhnlichkeiten unserer Gesellschaft, hinterfragt, was soziale Kluften mit dem einzelnen Menschen machen. Doch wer den Choreografen kennt, weiss, dass nie alle Hoffnung verloren ist. Wir haben es ja selbst in der Hand, die Zukunft zu gestalten, können lernen, Verständnis für die Realitäten anderer zu gewinnen. Wie heisst es bei Matter so schön: «Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser wos weniger guet geit». Eine Produktion, die Schweizer Kulturerbe und brandaktuelles Tanzschaffen auf wunderbare Weise zusammenbringt.

Hemmige, Luzerner Theater

Monte Rosa

Treffen sich zwei Bergsteiger. Kommt ein dritter vorbei. Und am Ende ist nichts mehr, wie es war. Lakonischer kann es nur die Autorin selbst schreiben – in ihrem Stück «Monte Rosa». Teresa Dopler lässt darin drei Alpinisten zur grossen Tour aufbrechen, der höchste Gipfel der Schweiz ist ihr Ziel. Doch diesen werden die drei nie erreichen. Stattdessen kommen ihnen nach und nach sicher geglaubte Überzeugungen abhanden. Ist die Luft vielleicht doch zu dünn hier oben in den Bergen? Gibt es in diesen extremen Höhen überhaupt noch etwas Wichtiges, etwas Erstrebenswertes zu entdecken? Etwa Habseligkeiten, die von den schmelzenden Gletschern wieder freigegeben wurden? Oder Steinschlag. Steinschlag ist die neue Gletscherspalte. Die gibt es nämlich nicht mehr. Wer den Berg hoch will, muss alles geben. Wer zu lange stehen bleibt und die Landschaft betrachtet, macht sich verdächtig. Teambildung dient nur noch dazu, das eigene Fortkommen zu sichern.

Teresa Dopler hat ein herrlich humorvolles Theaterstück geschrieben, in dem es zwischen den Zeilen um die grossen Themen unserer Zeit geht: Klimawandel, Leistungsgesellschaft, Jugendwahn. Was wie bitterböser Smalltalk scheint, legt mit jeder Replik eine weitere Wahrheit über den Zustand unserer Welt frei. Die junge Regisseurin Fritzi Wartenberg geht dem Bergmassiv in ihrer Inszenierung an die Substanz: Der Berg wird brüchig, das Fundament löst sich mehr und mehr auf. Und die Kletterpartie wird zu einer Tour de Force in die Untiefen menschlicher Beziehungen.

Monte Rosa, Luzerner Theater

La Bohème

Mit einer erloschenen Kerze und dem bescheidenen Wunsch nach etwas Feuer gegen die Winterkälte steht Mimì eines Abends an Rodolfos Tür. Es ist der Zufall der Nachbarschaft, der die Näherin und den Literaten zusammenführt. Sie verlieben sich augenblicklich ineinander, und ihre Liebe wird zum Hoffnungsschimmer in der von Entbehrung und Armut geprägten Realität der Bohemiens und (Lebens-)Künstler*innen. Doch sie ist nicht von Dauer: Mimì leidet an Schwindsucht und Rodolfo fehlen die Mittel, ihr zu helfen. 

«La Bohème» ist Giacomo Puccinis erfolgreichste Oper.  Sie erzählt den Alltag von vier jungen Menschen, in dem nichts passiert, doch alles passieren kann. Die Handlung kommt ohne komplexe Intrigen aus und besingt das Ideal der grossen romantischen Liebe – trotz oder gerade wegen des traurigen Ausgangs. Die Figuren sind einfache Menschen aus der Pariser Bohème, die in ihrer Armut nichts Heroisches an sich haben, und trotzdem, allen voran die Frauen, heldenhaft füreinander kämpfen. Getragen und begleitet werden sie von Puccinis wunderbarer Musik, die von Anfang bis Ende für Gänsehaut sorgt. Neben den grossen Chor- und Volksszenen im winterlichen Pariser Quartier Latin beeindrucken vor allem die intimen Momente, in denen Puccini seine «Poesie der kleinen Dinge» zum Blühen bringt.

La Bohème, Luzerner Theater

Next Matters

Wie die letztjährige Ausgabe von «Next Matters» im UG bereits bewies, sprudeln die Ensemblemitglieder nur so vor Einfällen, wenn es um das Kreieren eigener Werke geht. Sie denken in alle Richtungen und geniessen die Möglichkeit, ihre Rolle als Tänzerin oder Tänzer zu verlassen und eigenständig Stücke zu entwickeln. Während sie zusammen mit ihren Kolleg*innen Neues erschaffen, ergibt sich innerhalb des Ensembles ein wichtiger und befruchtender Austausch. Er lässt sie voneinander lernen und schweisst sie enger zusammen. So entsteht im Team eine besonders innige Beziehung zum gemeinsam erarbeiteten Abend. 


Dies geschieht gleichzeitig zum grossen Vergnügen des Publikums. Denn in «Next Matters» sind, wie in der ersten Ausgabe, verschiedene kleine Stücke zu sehen, was für kurzweilige Unterhaltung sorgt. Abwechslungsreich wird der Abend auch dadurch, dass junge Künstler*innen am Werk sind, deren Werdegang, stilistische Prägung und choreografische Handschrift von Person zu Person stark variieren. Ein vielgestaltiger Augenschmaus!

Next Matters, Luzerner Theater

Mord im Orientexpress

Meisterdetektiv Hercule Poirot macht gerade Ferien in Istanbul, als ihn ein Telegramm erreicht, das ihn nach London zurückbeordert: Ein neuer Fall wartet. Doch wie soll Poirot so schnell zurück nach London gelangen? Wir schreiben das Jahr 1934 und das schnellste Verkehrsmittel ist für ihn der Zug. Poirot aber nimmt nicht irgendeinen Zug: Der Orientexpress soll ihn in nur wenigen Tagen ans Ziel bringen. Mit ihm zusammen reisen weitere illustre Passagiere: eine schöne Gräfin, eine alte Prinzessin und ihre junge Pflegerin, eine trinkfreudige Amerikanerin, ein heimliches Paar, ein amerikanischer Geschäftsmann und sein nervöser Assistent. Während der Zug sich durch Schneegestöber kämpft und schliesslich von einer Schneewehe zum Erliegen gebracht wird, passiert an Bord ein Mord. Hercule Poirot beginnt selbstverständlich sofort zu ermitteln, als echter Meisterdetektiv kann er nicht anders. Nachdem er in kurioser Detektivarbeit «die Schäfchen sortiert hat», lädt er die Reisenden in den Speisewagen und präsentiert ihnen die Lösung des Falls – die er schon fast nicht mehr zu finden glaubte. 

Die britische Grande Dame der Kriminalliteratur, Agatha Christie, liess ihren berühmten belgischen Meisterdetektiv Hercule Poirot insgesamt 33-mal ermitteln. «Mord im Orientexpress» gehört zu ihren bekanntesten Romanen. Regisseur Wojtek Klemm ist am Luzerner Theater für politische und meinungsstarke Theaterabende bekannt. In dieser Inszenierung zeigt er nun sein komödiantisches Können und zaubert aus dem berühmten Krimi ein Fest der Situationskomik und Skurrilität. 

Mord im Orientexpress, Luzerner Theater

Die Ärztin

Die Ärztin Ruth Wolff leitet erfolgreich eine Privatklinik. In dieser liegt eine 14-jährige Patientin nach einem heimlichen Abtreibungsversuch im Sterben. Als ein katholischer Priester versucht, sich Zugang zum Zimmer der jungen Frau zu verschaffen, hindert Ruth Wolff den Mann daran. Es ist ihr wichtiger, das Mädchen in Frieden sterben zu lassen, als den Wunsch der gläubigen Eltern zu erfüllen, die aus der Ferne den Priester für die letzte Ölung ihrer Tochter aufgeboten haben. Doch eine Handyaufzeichnung ihres hitzigen Streits mit dem Geistlichen tritt einen medialen Shitstorm los. Nun steht nicht  nur Ruth Wolffs Karriere, sondern auch die Zukunft ihrer Privatklinik auf dem Spiel. Einerseits wird Wolff Rassismus vorgeworfen, weil der Priester Schwarz ist. Andererseits sieht sie sich als säkulare Jüdin auf einmal selbst frauenfeindlichen und antisemitischen Vorurteilen ausgesetzt. Was als Streit um den richtigen Umgang mit einer Sterbenden begann, entwickelt sich zu einem explosiven Skandal, in dem zentrale gesellschaftliche Fragen unserer Zeit verhandelt werden.

Der britische Dramatiker Robert Icke ist berühmt für seine Überschreibungen bekannter Theaterstücke. Mit «Die Ärztin» hat er Arthur Schnitzlers Stück «Professor Bernhardi» aus dem Jahr 1912 in die heutige Zeit geholt. Ickes Debattenstück führt mitten in Themen wie politische Korrektheit, Ethik in der Medizin, mediale Hetzjagden, Identitätspolitik und ökonomischer Druck im Gesundheitswesen. Viel Stoff für angeregte Diskussionen! 

Die Ärztin, Luzerner Theater